Literarische Parallelen -

Gleiches Thema, andere Autoren


Bronsteins Kinder

Roman von Jurek Becker, erschienen 1986

In dem Roman "Bronsteins Kinder" geht es um die Konfrontation der Nachkriegsgeneration mit der Vergangenheit ihrer Eltern.

Im Mittelpunkt stehen die Erinnerungen des achtzehnjährigen Hans, Sohn des Ehemaligen KZ-Häflings Arno Bronstein, an das Jahr 1973, in dem er in Ostberlin sein Abitur macht. Dort verbringt er mitunter die Nachmittage mit seiner Freundin in dem abgelegenen Ferienhaus seines Vaters, gegen dessen verbot. Eines Tages stößt er dort auf eben diesen, der zusammen mit zwei Freunden einen Fremden ans Bett gefesselt hat und diesen einem Verhör unterzieht. Bei dem Gefangenen handelt es sich um einen ehemaligen KZ-Aufseher, den die Freunde per Zufall als solchen erkannt haben und an dem sie sich nun rächen wollen, obgleich sie ihm während ihrer Haft nie begegnet sind.

Da der Vater die Einschaltung von Gerichten ablehnt, kommt es zu einer erbitterten Diskussion über die Rechtmäßigkeit dieser Form von Selbstjustiz. Hans fragt sich, ob "einer, der mit dreißig geschlagen wird, mit sechzig zurückschlagen dürfe", und er lehnt es ab, sich als Sohn eines Opfers des Faschismus zu betrachten. Doch er muß schließlich erkennen, daß er mit der Vergangenheit nicht brechen kann, das er sich mit dieser auseinandersetzen muß, da seine Existenz unauflöslich mit dem besonderen Schicksal seiner Eltern verknüpft ist.

Becker widerspricht somit in seinem Roman der allgemeinen Auffassung, daß die Auseinandersetzung mit der nazistischen Judenverfolgung nur eine Aufgabe der direkt betroffenen Generation sei.

 

Die Ermittlung - Oratorium in elf Gesängen

Szenische Darstellung des Frankfurter Auschwitz-Prozesses von Peter Weiss

"Die Ermittlung" stellt nichts weiter als eine Art "Konzentrat" der Materialien und Aussagen jenes Prozesses dar ,der vom Dezember 1963 bis zum August 1965 in Frankfurt gegen achtzehn Angehörige des Aufsichts- Sanitäts- und Wachmannschaftspersonals des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz geführt wurde. Der Autor stützt seine Darstellung auf eigene, bei der Gerichtsverhandlung und einem Lokaltermin in Auschwitz angefertigte Gedächtnisprotokolle, auf die prozeßberichte der Tagespresse und auf die dokumentarische Literatur, besonders auf die biographischen Aufzeichnungen des 1947 in Auschwitz gehenkten Lagerkommandanten Rudolf Höß, die 1951 und 1956 in polnischer, 1958 auch in deutscher Sprache veröffentlicht wurden.

In den jeweils dreifach unterteilten Gesängen -"Gesang von der Rampe", "Gesang vom Lager", "Gesang von der Schaukel", "Gesang von der Möglichkeit des Überlebens", "Gesang vom Ende der Lili Tofler", Gesang vom Unterscharführer Stark", "Gesang von der Schwarzen Wand", "Gesang vom Phenol", "Gesang vom Bunkerblock", "Gesang vom Zyklon B" und "Gesang von den Feueröfen"- will Weiss den Prozeß der "Verarbeitung" der Häftlinge nachvollziehen, ihn als Prozeß der zunehmenden Entpersonalisierung darstellen, um schließlich jene vergangene Lagerrealität rekonstruieren und durchsichtig machen zu können.

Die im Stück auftretenden achtzehn Angeklagten entsprechen den authentischen Personen des Frankfurter Prozesses und tragen ihre wirklichen Namen, während der gleichsam anonyme Chor der über dreihundert Zeugen auf neun namenlose Sprecher reduziert ist und Staatsanwaltschaft sowie Verteidigung nur durch je einen Vertreter repräsentiert sind. Obwohl oder gerade weil sich der Autor im Zuge der Konzentration auf die pure Faktizität der dargestellten Vorgänge aller Erfindung und literarischen Stilisierung weitgehend enthält, werden schließlich die Funktionen -und vor allem die Funktionsüberschreitungen- aller achtzehn Angeklagten hinreichend deutlich, um den begriff der "befehlsbestimmten Verantwortung", auf den sich alle mit immer den selben stereotypen Formeln berufen, außer Kraft zu setzen.