Im Crash-Kurs zum Lebenstraum

Bild: dpa
 
Vor allem nordrhein-westfälische Lehramts-Studenten leiden unter der schwierigen Prüfung für das Latinum.
 

Ob Caesar das gewollt hat? Wenn er gewusst hätte, dass Studenten noch zweitausend Jahre später unter dem Gallischen Krieg leiden, wäre er vielleicht zu Hause geblieben. Egal, ob Archäologie oder Anglistik, Geschichte oder Musikwissenschaft - ohne Latinum gibt es keinen Abschluss.

Eine Tatsache, die Schüler, Lehrer und Eltern offenbar gerne gemeinsam verdrängen: „»Latein brauchst du heute doch gar nicht mehr, höchstens für Naturwissenschaften«, haben die mir in der Schule erzählt, da habe ich natürlich Französisch gewählt“, erzählt Jonas Gersing. Jetzt sitzt der Lehramtsstudent jeden Tag in einem Latein-Crash-Kurs, statt auf Korsika mit süßen Französinnen zu flirten. Von vier bis acht Uhr dauert der Kurs im Kölner Carl Duisberg Centrum, acht Wochen lang. Dazu kommen noch mindestens vier Stunden Vorbereitung.

Für die meisten Kursteilnehmer geht es um viel mehr, als um einen lästigen Schein: „An dem Latinum hängt die Erfüllung eines Lebenstraums, nicht mehr und nicht weniger“, sagt Lena Schwerdtfeger, die auch gerne Lehrerin werden möchte. In Nordrhein-Westfalen braucht man für viele Fächerkombinationen im Lehramt das „RP-Latinum“ - das ist das härteste. „RP“ ist die Abkürzung für „Regierungspräsident“. Das bedeutet, dass die Prüfung nicht an der Uni, sondern von Gymnasiallehrern im Regierungsbezirk Köln abgenommen wird. „Wenn man die Prüfung vergeigt, kann man mindestens ein Studienfach an den Nagel hängen“, sagt Jonas Gersing.

Die Lage ist also ernst und wird für die neuen Studenten sogar noch ernster. Denn viele verlieren über ihr Latinum mindestens zwei bis drei Semes ter - in Zeiten von Studiengebühren bares Geld. Und daran wird sich auch mit der Umstellung auf die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge nichts Grundlegendes ändern. „In den sprachlichen Fächern brauchen Studenten das Latinum jetzt nur noch, wenn sie ihren Master machen wollen. Aber in allen Bachelorstudiengängen, in denen mit Quellentexten gearbeitet wird - also Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie -, sind Lateinkenntnisse immer noch Voraussetzung“, sagt Wolfram Wickel, Leiter der Zentralen Studienberatung der Universität Bonn.

Es gibt also keine Entwarnung: Ablativus absolutus, Partizip Perfekt Passiv und der Gallische Krieg werden viele Studenten auch noch in Zukunft verfolgen. „Ich mache das ja sogar eigentlich ganz gerne“, sagt Marie Schrohberg, die zusammen mit Jonas, Lena und zwölf anderen den Crash-Kurs besucht: „Wenn nur der Druck nicht so groß wäre!“ Fast alle, die hier jeden Nachmittag sitzen, haben schon die kostenlosen Kurse an der Uni besucht - und sind durchgefallen.

„Die Kurse sind überfüllt und unpersönlich, man traut sich nicht, Fragen zu stellen“, erzählt Gersing. „Da scheitern viele.“ Jetzt opfern sie 659 Euro und ihre Semesterferien für den Crash-Kurs im Carl Duisberg Centrum. Denn die nächste Prüfung ist ihre letzte Chance, noch mal durchfallen dürfen sie nicht. „Die Prüfer können sich nicht vorstellen, was das für uns für eine Belastung ist“, sagt Marie. Die Angst ist so groß, dass keiner der Kursteilnehmer mit seinem richtigen Namen zitiert werden möchte - wer weiß, wie sich das auf die Prüfungsergebnisse auswirkt. . .

Aus der Verzweiflung der Studenten versuchen diverse Anbieter Profit zu schlagen. Es gibt sündhaft teure Crash-Kurse auf attraktiven Ferieninseln, Fernunterricht, Kurse, bei denen man lateinisch singt und natürlich auch Kassetten, mit denen jeder Latein im Schlaf lernen soll.

Herauszufinden, welche Angebote vertrauenswürdig sind, ist nicht ganz einfach. Grundsätzlich gilt: „Wer einem ein großes Latinum in vier Wochen verspricht, ist unseriös - acht Wochen ist wirklich das Minimum“, sagt Hartmut Pohlmann, der den Kurs im Carl Duisberg Centrum leitet. In den vergangenen Wochen hat er den enormen Druck miterlebt, unter dem seine Studenten leiden: „Es ist ja sehr sinnvoll, mit dem geistigen und sprachlichen Fundament Europas vertraut zu sein“, sagt er, „aber die Prüfungsangst ist enorm. Für viele ist das vom Umfang her wie ein drittes Studienfach.“ 80 Prozent seiner Kursteilnehmer würden die Prüfung erfahrungsgemäß schaffen, sagt Pohlmann, wer durchfalle, dürfe den Kurs noch mal zu einer reduzierten Gebühr besuchen. Für viele sei es dann allerdings schon zu spät.

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                          

Maximilian-Kolbe-Gymnasium (hin)