Latein: Die Qual der Wahl

 


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Cicero und Caesar im Kompaktkursus

 
Bild: Müller-Hillebrand
Recherchieren im Internet und Übersetzen lateinischer Schriften - für Studenten kein Widerspruch. Denn auch im Computerzeitalter spielen Caesar und Co. an den Hochschulen eine Rolle.

 

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Latein eine tote Sprache? An vielen Universitäten ist sie nach wie vor sehr lebendig - als Anforderung für die Prüfungszulassung.

Moribus antiquis res stat Romana virisque - was Rom ausmacht, beruht auf den alten Sitten und Männern. Die Weisheit, die der römische Philosoph und Staatsmann Cicero schon in seinem 51 vor Christus vollendeten Werk „De re publica“ („Über den Staat“) geschrieben hat, beschäftigt viele Studierende auch heute noch. Denn wer beispielsweise in Deutsch, Geschichte oder Philosophie sein Staatsexamen oder die Magisterprüfung anstrebt, hat an zahlreichen deutschen Hochschulen Zeugnis darüber abzulegen, ob er die Worte Ciceros im Original verstehen kann.

Seitdem ereignen sich Semester für Semester kleine Tragödien beim Start in die wissenschaftliche Ausbildung. Abiturienten erfahren, dass für ihre Fächerwahl das Latinum erforderlich ist - wo ihnen doch in der Schule immer gesagt wurde: „Dafür brauchst du das nicht.“ Und so haben viele in der Schule lieber Französisch gelernt, weil Latein doch eine tote Sprache sei. Anderen ist Latein gar nicht erst angeboten worden, weil sich zu wenige Schüler dafür interessierten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wählen seit Jahren immer weniger Schüler Latein als Fremdsprache. Alle, die Versäumtes nachholen müssen, haben vier Möglichkeiten: Lateinkurse an der Universität belegen, Intensivkurse bei kommerziellen Instituten absolvieren (Kosten zwischen etwa 600 und 2800 Mark), das Studienfach wechseln - oder die Hochschule. Denn die Anforderungen für Lehramts-Studiengänge sind von Land zu Land unterschiedlich, für alle anderen Abschlüsse gibt es selbst innerhalb der Länder keine einheitliche Regelung.

Nadine und Tobias gehören zu den Betroffenen. Sie haben in diesem Semester gemeinsam mit rund 150 weiteren Leidtragenden den Anfänger-Ferienkursus besucht, Montag bis Freitag, immer von neun bis 13 Uhr, drei Wochen lang. Für die 21-jährige Nadine steht schon nach wenigen Tagen fest, dass es dabei wohl nicht bleiben wird: „Das ist alles andere als locker. Ich plane schon jetzt, diesen Kursus noch einmal zu wiederholen.“ Damit steht sie nicht allein. Nach Schätzungen belegen mehr als die Hälfte der Latein-Lernenden wenigstens eine Veranstaltung zweimal - denn das Tempo in den Kursen ist hoch, Selbstdisziplin oberstes Gebot. „Nebenbei noch eine Hausarbeit schreiben, das klappt nicht“, sagt Peter Schenk, der an der Kölner Universität die Latinum-Kurse organisiert. Insgesamt 500 bis 600 Studenten nehmen daran jedes Semester teil. Doch seien es nur „ganz, ganz wenige“, die schließlich mit leeren Händen dastünden - sprich: wiederholt durchfielen.

Das macht Mut - Mut, den der 22-jährige Tobias auch benötigt. Denn für seinen Berufswunsch, Gymnasiallehrer für Geschichte, wird er die schwierigste Zusatzprüfung in Sachen Latein bei der Bezirksregierung abzulegen haben. Empfohlene drei Universitäts-Kurse plus einem Tutorium, eine dreistündige Klausur sowie eine mündliche Prüfung stehen vor der schlichten Bescheinigung über die bestandene „Ergänzungsprüfung zum Abitur“. Danach will Tobias endlich „richtig“ mit seinem Studium beginnen. Denn Latein während des Studiums nachzuholen, das kostet Zeit. Mindestens ein Semester, eher zwei und manchmal sogar noch mehr verlieren viele der Betroffenen, um übersetzen zu lernen. Macht das Sinn? Antje Hellwig ist davon überzeugt. Die Fachdezernentin für alte Sprachen bei der Bezirksregierung Köln, die jedes Jahr rund 150 Studierende durch die Latinum-Prüfung schleust, sieht im Latinum sogar einen Sinn für das spätere Leben. Denn wenn jemand nicht in der Lage sei, strukturiert zu arbeiten und Dinge angemessen darzustellen - Eigenschaften, wie sie gerade beim Lateinischen verlangt würden -, werde er auch im Beruf scheitern. „Vor solchem Schicksal sollte man junge Leute doch bewahren.“

In Nordrhein-Westfalen wird die Diskussion um eine Verringerung der Lateinanforderungen derzeit nicht geführt. Und an der Uni Bielefeld, die für Magisterstudien zurzeit landesweit die geringsten Lateinanforderungen stellt, gehen die Überlegungen sogar eher in die andere Richtung. „Ich erachte das Lateinische für viele Studien als notwendig“, sagt der Vorsitzende des Magisterprüfungs-Ausschusses Reinhard Meyer-Hermann. Daher wolle man die Prüfungsordnungen überdenken - und dann könnten Caesar und Cicero auch in Bielefeld wieder eine größere Rolle spielen.

 

                                                          

Maximilian-Kolbe-Gymnasium (hin)